Die chinesischen Raumfahrt
Die Geburtsstunde der chinesischen Raumfahrt schlug 1956. In diesem Jahr wurde am 8. Oktober das Raketen-Forschungsinstitut Nr. 5, das dem Verteidigungsressort unterstellt war, gegründet. Diesem Institut waren 10 Forschungslaboratorien unterstellt. Bereits vier Jahre später, am 19. Februar 1960, konnte die erste selbstentwickelte flüssigkeitsbetriebene Höhenforschungsrakete T7-M erfolgreich gestartet werden. Die Gesamtlänge der T7-M betrug 10,32 m und der Durchmesser war 0,45 m. In den folgenden Jahren wurden verschiedene Kurz- und Mittelstreckenraketen für den militärischen Gebrauch entwickelt. 1966 erfolgte der Testflug der ersten Nuklearrakete mit Sprengkopf. Die ersten Pläne für einen eigenen Satelliten existierten bereits 1965. Durch die Kulturrevolulion kam es aber zu einer jahrelangen Verzögerung. Erst am 24. April 1970 wurde der Satellit Dong Fang Hong-I mit einer Rakete von Typ "Langer Marsch 1" erfolgreich in eine Erdumlaufbahn gebracht. Die Masse war mit 173 kg relativ hoch für einen Erststart. Ein Jahr später, am 3. März 1971 wurde der erste wissenschaftliche Satellit Shijian-1 in den Weltraum geschossen. Er blieb acht Jahre in Betrieb und sendete zahlreiche wichtige Meßdaten zur Erde. Die damit gewonnen Erfahrungen konnten für die weitere Entwicklung von langlebigen Satelliten genutzt werden. Der erfolgreiche Test einer Rückkehrkapsel eines Erkundungssatelliten machte China zur dritten Nation mit dieser Technologie. Nach dem Start am 26. November 1975 und drei Tagen im All landete die Kapsel planmäßig im vorgesehenen Zielgebiet. Der erste Mehrfachstart von drei Experimentalsatelliten gelang im Jahr 1981. Die drei Satelliten SJ-2, SJ-2A und SJ-2B wurden am 20. September 1981 gestartet und dienten der Untersuchungen von kosmischen Phänomenen wie dem magnetischen Feld, geladenen Partikeln, sowie von Infrarot- und UV-Strahlung. Der Einstieg in die Technik der Nachrichtensatelliten gelang 1984 mit dem Start des ersten experimentellen Nachrichtensatelliten. Dieser hatte bereits eine beträchtliche Masse von von 910 kg. 1986 wurde dann der erste reguläre Nachrichtensatellit DFH-2 über dem Äquator stationiert. In den Jahren 1988 und 1990 wurden drei weitere Satelliten des Typs DFH-2A in eine geostationäre Umlaufbahn geschossen. Bei den bisher gestarteten chinesischen Satelliten halten sich militärische Aufklärungsmissionen sowie Anwendungs- bzw. Forschungssatelliten etwa die Waage. Unter den zivilen Nutzlasten sind hauptsächlich Wettersatelliten, Erdbeobachtungs- und Nachrichtensatelliten vertreten. Die einzelnen Salelliten werden je nach Anwendungszweck unterschiedlich bezeichnet. Die Telekommunikationssatelliten werden mit dem Kürzel DFH (Dongfanghong) bezeichnet, die Wettersatelliten als FY (Fengyun) und die wissenschaftlichen sowie experimentellen Satelliten als SJ (Shijian), jeweils mit einer fortlaufenden Nummer. Die ZY (Ziyuan) - Satelliten werden für die Erdbeobachung eingesetzt. Die einzelnen Satelliten-Missionen werden von einem gut ausgebauten Netz von leistungsfähigen Bodenstationen gelenkt, dazu gehört auch das im Pazifik kreuzende Meßschiff "Yuan Wang". Die zentrale Kontrollstation befindet sich in Weinan in der Provinz Schansi. Die Grundlage für die chinesischen Trägerraketen bildeten die von der damaligen Sowjetunion überlassenen militärischen Flugkörper. Zu Beginn wurde vor allm die militärische Entwicklung von Kurz- und Mittelstreckenraketen vorangetrieben. Später folgten auch Nuklearraketen mit interkontinentaler Reichweite. Ausgehend von der Interkontinentalrakete "Ostwind-4" wurde ab 1964 die Rakete "Langer Marsch-1" (LM-1, englisch "Long March") entwickelt. Mit Hilfe dieses Typs wurde 1970 der erste Satellit erfolgreich in eine Erdumlautbahn gebracht. Die LM-1-Rakete war 20,5 m hoch bei einem Durchmesser von 2,25 m und einer Startmasse von 82 Tonnen. Die LM-2-Rakete ist das Arbeitspferd der chinesischen Raumfahrt. Neben der Weiterentwicklung der LM-1, der neuen LM-1D, werden sie für alle Missionen in niedrigen Erdumlaufbahnen (LEO) eingesetzt. Die Entwicklung der LM-2 begann 1970. Grundlage war die Interkontinentalrakete SS-4. Die erste zweistufige LM-2 war 35 m lang und hatte einen Durchrnesser von 3,35 m. Die Weiterentwicklungen haben eine Länge zwischen 32,6 m und 51 m und eine Nutzlastkapazität zwischen 2.500 kg und 9.200 kg. Die neueste Version, die LM-2F, wurde für den Start der Shenzhou-Raumschiffe entwickelt. Die Entwicklung einer hochenergetischen Wasserstoff-Sauerstoffoberstufe führte zur dreistufigen LM-3-Rakete. Der erste Start erfolgte im Jänner 1984. Das Basismodell mit einer Länge von 44 m und einem Durchmesser von 3,4 m kann als dreistufiger mittlerer Träger mit der amerikanischen Delta-Rakete verglichen werden. Die Weiterentwicklungen LM-3A und LM-3B haben eine Länge von bis zu 54,8 m und können bis zu 5.000 kg Nutzlast in eine geostationäre Umlaufbahn befördern. Die Entwicklung einer neuen Oberstufe mit lagerfähigem Treibstoff für Mehrfach-Zündungen auf Wasserstoff/Sauerstoff-Basis ergab in Kombination mit den beiden Unterstufen der LM-3 einen neuen vielseitig einsetzbaren Raketentyp, die LM-4. Ihr Erststart erfolgte am 6. September 1988. Die Version LM-4B hat eine Länge von 44 m, sie kann eine Nutzlast von 1.650 kg in eine sonnensynchrone Bahn (SSO) bringen. Der Jungfernflug dieser Rakete erfolgte am 10. Mai 1999. Bis Anfang 2003 wurden die LM-Raketen 69 Mal gestartet, wobei es bei den letzten 27 Starts keinen Fehlstart gab. Dabei wurden etwa 50 eigene Nutzlasten transportiert. In China gibt es drei Raketen-Startzentren. Das Startzentrum Jiuquan liegt in der Wüste Gobi, etwa 1.600 km westlich der Hauptstadt Peking. Das Gelände wurde in den 60er-Jahren erschlossen. Es ist für Starts in süd-ostliche Richtung geeignet, sofern dabei nicht russisches Gebiet überflogen werden soll. Von den beiden Startrampen können LM-1- und LM-2-Raketen sowie Mittelstreckenraketen abgeschossen werden. Das Startzentrum Xichang dient hauptsächlich dem Start von geostationären Satelliten mit der LM-3-Rakete. Der erste Start von diesem Gelände erfolgte 1984. Eine zweite Startrampe für die LM-2E ist ebenfalls vorhanden. Das erst 1988 eingeweihte Startzentrum Taiyuan/Wuzhai eignet sich vor allem für das Erreichen des polaren Erdorbits für Erderkundungs- und Aufklärungssatelliten. Die Anlieferung der fertig montierten Raketen erfolgt auf diesem Gelände auf Schienen, ähnlich wie in Rußland. Am 20. November 1999 startete China mit einer LM-2F-Rakete das erste unbemannte Versuchsmodell eines zukünftigen bemannten Raumschiffs. Nach einem dutzend Erdumkreisungen landete die Kapsel "Shenzhou 1" am nächsten Tag sicher im geplanten Zielgebiet. "Shenzhou" bedeutet auf Deutsch "Magisches Schiff". Die Shenzhou-Kapseln erinnern äußerlich an die russischen Sojus-Kapseln und sind wahrscheinlich auch teilweise von diesen abgeleitet. Im Dezember 2002 erfolgte der Start des Shenzhou 4 Raumschiffs. Shenzhou 4 war mit allem ausgerüstet, was für einen bemannten Raumflug an Ausrüstung benötigt wurde. Das Lebenserhaltungssystem und die für die Rückkehr zur Erde besonders kritischen Systeme wurden während dieses Fluges an lebensgroßen Astronautenpuppen getestet. Nach diesen erfolgreichen Testflügen, wurde am 15. Oktober 2003 Shenzhou 5 mit dem Taikonauten Yang Liwei gestartet. Nach 14 Erdumkreisungen in 343 km Höhe landete er am 15. Oktober in der Inneren Mongolei. Die Gesamtflugzeit belief sich auf 21 Stunden und 23 Minuten. Das Orbitalmodul von Shenzhou 5 blieb in der Umlaufbahn. Bis zum 16. März 2004 wurden vor allem wissenschaftliche Experimente durchgeführt, am 30. Mai 2004 trat das Orbitalmodul in die Erdatmosphäre ein und verglühte. Damit ist China nach Rußland und den USA die dritte Nation, die mit eigener Technologie bemannte Raumflüge durchführen kann. Am 29. September 2011 erfolgte der Start von Tiangong 1, der ersten chinesischen Raumstation, mit einer LM-2F Rakete. Tiangong 1 wird als Raumlabor im Shenzhou-Programm genutzt und dient zur Erforschung von Kopplungsmanövern und Langzeitaufenthalten von Raumfahrern. Am 31. Oktober 2011 erfolgte der Start des unbemannten Raumschiffs Shenzhou 8. Neben der Erprobung der Flugeigenschaften des Raumschiffes selbst wurde am 3. November erstmals von einem chinesischen Raumschiff ein Kopplungsmanöver im All durchgeführt. Kopplungsziel war das ebenfalls unbemannte chinesische Raumlabor Tiangong 1. Shenzhou 9 startete am 16. Juni 2012 zur chinesischen Raumstation Tiangong 1. Shenzhou 9 war der bis dahin längste bemannte chinesische Raumflug. Shenzhou 9 vollzog am 18. Juni als erstes chinesisches Raumschiff ein bemanntes automatisches Kopplungsmanöver im All. Drei Stunden nach dem Andockmanöver betraten Jing Haipeng, Liu Wang und Liu Yang als erste chinesische Taikonauten das Raumlabor. Die Aufgabe der Besatzung war, das Raumlabor in Betrieb zu nehmen und die notwendigen Voraussetzungen für den Betrieb von Raumstationen zu erforschen. Darüber hinaus wurden medizinische Experimente durchgeführt. Am 24. Juni 2012 begab sich die Besatzung wieder in das Raumschiff und koppelte von Tiangong 1 ab, um ein manuelles Andockmanöver durchzuführen. Hierzu entfernte sich das Raumschiff und näherte sich dann wieder der Raumstation. In 140 m Entfernung übernahm Liu Wang die Handsteuerung und koppelte manuell an die Raumstation. Die Landung von Shenzhou 8 erfolgte am 29. Juni 2012 um 02:01 UTC im geplanten Zielgebiet.
Am 1. Dezember 2013 startete Chang’e-3 an Bord einer Rakete vom Typ Langer Marsch 3B vom Kosmodrom Xichang in eine Erdumlaufbahn. 20 Minuten nach dem Start trennte sich die Sonde von der Rakete. Aus der Erdumlaufbahn schwenkte die Sonde in einen Transferorbit ein. Das Einschwenken in eine Mondumlaufbahn am 6. Dezember wurde mit drei Korrekturmanövern vorbereitet, nach einem Bremsmanöver wurde dann eine Kreisbahn um den Mond mit einer Höhe von 100 km erreicht. Nach einer Absenkung des Periselenums auf 15 km wurde durch ein weiteres Bremsmanöver die Landung eingeleitet. Die weiche Landung erfolgte am 14. Dezember 2013 um 13:11:18 UTC, einen Umlauf früher als ursprünglich geplant und damit 250 km östlich des Sinus Iridum im Mare Imbrium. Sechs Stunden später verließ der Rover (Masse 140 kg) über eine Rampe den Lander. Damit gelang China als dritte Nation nach den USA und der ehemaligen UdSSR die erfolgreiche Landung einer unbemannten Sonde auf dem Mond. Zur Unterstützung der Sonde arbeitet China mit der ESA zusammen, die ihre weltweite Infrastruktur zum Empfang der Funksignale zur Verfügung stellt. |